Was ist der Unterschied zwischen Glaubenssätzen und Grundannahmen? 

Da ich dir in meiner Wochenreihe etwas Wichtiges näher bringen will, muss ich beim Schreiben auch immer darauf achten, dass das, was ich dir erklären will, nicht von deinen inneren Schubladen direkt aufgegessen wird.

Ihr habt mich gebeten, mal ein konkretes Beispiel zu nennen, was der Unterschied zwischen der inneren Grundannahme und einem Glaubenssatz ist. Okay machen wir aber dafür brauchen wir jetzt ein rosa Kaninchen.

Stelle dir vor, du wächst damit auf, dass dir gesagt wird, dass es normal ist, dass in jedem Haushalt ein rosa Kaninchen wohnt. Bei euch zu Hause wohnt es und bei allen, die du kennst, auch. Anfang 20 ziehst du aus und hast eine eigene Wohnung. Du freust dich über deinen neuen Weg. Ein Kaninchen hast du nicht. Denn das Kaninchen kann man sich nicht einfach kaufen, dieses kommt zu einem.

Du merkst, dass irgendwas in deinem Zuhause fehlt. Du merkst, du fühlst dich alleine. (Ich bin alleine – Glaubenssatz). Da deine Freunde aber auch noch kein rosa Kaninchen haben, ist es okay und ihr verbringt zusammen Zeit, geht feiern und lebt das Leben. Irgendwann merkst du, dass immer mehr Freunde ihr rosa Kaninchen bekommen. Nicht alle, aber viele. Du fragst dich, warum du keines bekommst und machst dich auf die Suche nach deinem Kaninchen. Du bist jetzt bereit. Das scheint jedoch nicht zu klappen und du bekommst das Gefühl, dass andere etwas haben was du nicht hast. (Glaubenssatz). Es entwickelt sich so weit, dass du das Gefühl hast, du bist nicht gut genug dafür, dass du endlich dein Kaninchen finden kannst. (Glaubenssatz).

Während du dich umschaust und immer wieder auf die Suche gehst, meldet sich eine Freundin von dir und erzählt dir, dass sie jetzt auch ein rosa Kaninchen gefunden hat und als wenn das nicht schon mega wäre: Das Kaninchen hätte Babys im Bauch. Du freust dich mit deiner Freundin und sie sagt: „Womit habe ich das nur verdient, was für ein Geschenk!“ – Du fragst dich, warum du keine Geschenke bekommst vom Leben (Glaubenssatz), warum du es nicht verdient hast (Glaubenssatz), dass du endlich dein Kaninchen findest.

Mit mitte 30 hast du zwar ein paar rosa Kaninchen gesehen, aber keines lies sich von dir einfangen. Anscheinend bist du einfach nicht gut genug oder schnell genug, um dir ein Kaninchen zu fangen. Nachdem deine Freunde nicht mehr so oft auf Partys gehen, weil sie sich um ihre rosa Kaninchen kümmern, sitzt du alleine (Glaubenssatz) zu Hause und entscheidest, dass es so nicht weitergehen kann. Du bist jetzt bereit, alles dafür zu tun, dass du endlich dein rosa Kaninchen bekommst.

Denn ohne das geht es dir schlecht und es wird in den letzten Jahren immer blöder in deinen Gedanken. Das muss sich ändern. Du triffst auf einen Coach, der dir sagt, dass du dich nicht genug liebst (Glaubenssatz) und du deshalb dein Kaninchen nicht sehen kannst. Du sollst deine negativen Glaubenssätze in positive Affirmationen umwandeln und sie dir immer wieder sagen, damit du es endlich schaffen kannst.

Also beginnst du. Denn du würdest alles für dein rosa Kaninchen tun.

Du wandelst also um:

  • Ich bin alleine – Ich bin mit allem verbunden.
  • Andere haben mehr als ich – Es kommt alles zu mir, was ich brauche.
  • Ich bin nicht gut genug – Ich bin gut genug.
  • Ich brauche mehr Selbstliebe – Ich liebe mich selbst.

Mit diesen Sätzen und der Anleitung zum positiven Denken gehst du nun in deinen Alltag und fokussierst dich auf die Suche nach einem rosa Kaninchen. Irgendwann sitzt du im Park auf einer Bank mit einem Kaffee in der Sonne und schaust allen dabei zu, wie sie ihr leichtes (Glaubenssatz) Leben mit ihrem rosa Kaninchen genießen. Dir fällt eine Frau auf, die kein Kaninchen hat. Dir wird klar, dass du so nicht enden willst, – du wirst dein Kaninchen finden.

Du strengst dich noch mehr an und fokussierst dich immer weiter auf das positive Denken, doch du findest dein rosa Kaninchen einfach nicht. Manchmal glaubst du, dass du es findest, aber dann rennt es wieder weg und du kannst es nicht einfangen.

Der Druck macht dich immer müder. Du gehst nicht mehr so viel raus, um dein Kaninchen zu suchen. Du beginnst dich mit dem Schmerz auseinanderzusetzen, dass du dein rosa Kaninchen nicht finden kannst. Der Schmerz nagt an dir. Das Leben fühlt sich immer schwerer an und es fehlt die im Alltag die Kraft für die einfachsten Dinge. Es fühlt sich wie festkleben an. Je mehr der Schmerz hochkommt, desto stärker wird der Wille, positiv zu bleiben und du strengst dich noch mehr an, obwohl du merkst, wie hart es ist.

Nach gut einem Jahr willst du morgens aufstehen und merkst, dass es nicht geht. Dein Körper will sich nicht bewegen, du willst dich nicht bewegen. Es ist alles wie taub. Es fühlt sich so an, als ob jede Erfahrung, bei der du das rosa Kaninchen nicht fassen konntest, jetzt geballt in deinem Körper sitzt und dir sagt: Ich will mich nicht mehr bewegen, – es bringt sowieso nichts.

Du bleibst liegen. Während du da liegst, fällt dir die Frau ein, die du nie werden wolltest. Die gebrochene Frau ohne rosa Kaninchen und merkst, wie dir klar wird, dass du genau diese Person geworden bist.

Du brauchst lange, um aus diesem Zustand wieder rauszukommen. Du schaffst es. Dennoch merkst du, dass es dir jetzt anders geht als vorher dem Zusammenbruch. Ganz tief in dir ist das Gefühl, dass du dein rosa Kaninchen in diesem Leben nicht mehr finden wirst. Du vermeidest das Thema, weil es einfach zu schmerzvoll ist und versuchst dir durch Meditationen, Coachings und Yoga ein gutes Gefühl zu erarbeiten. Du bist achtsam mit dir, damit du nicht wieder zusammenbrichst. So ist es okay für dich.

Ein paar Jahre später triffst du die Freundin von dir, die das Kaninchen mit den Babys damals bekommen hatte. Sie sieht gut aus. Ihr unterhaltet euch. Sie erzählt dir, dass sie die rosa Kaninchen abgegeben hat. Du bist völlig irritiert. Wie kann denn jemand sein Glück einfach so abgeben? Sie erklärt dir, dass sie herausgefunden hat, dass man gar keine rosa Kaninchen haben muss. Dass sich viele Menschen nur ein rosa Kaninchen in der Vergangenheit geholt haben, damit sie sich nicht alleine fühlen, das Gefühl haben, das andere mehr haben, als sie, sie sich gut genug fühlen und das Gefühl haben, sich selbst zu lieben. Sie habe herausgefunden, dass man dafür gar kein rosa Kaninchen braucht, sondern dass es auf einen selbst ankommt, wie man diesen Weg geht.

Jedoch sei gesellschaftlich in der Vergangenheit der Eindruck entstanden, dass all das nur geht, wenn man ein rosa Kaninchen habe.

Und da stehen wir beide jetzt nun. Deine Grundannahme, dass du ein rosa Kaninchen brauchst, hat dich überhaupt erst in deine Glaubenssätze hineingetrieben. Die Arbeit mit den Glaubenssätzen kann bis zum Zusammenbruch führen. Denn die Glaubenssätze wären ohne das Problem aus der Grundannahme nicht vorhanden. Arbeitest du mit deinen Grundannahmen „Ich brauche ein rosa Kaninchen“, dann entwirren sich automatisch die Glaubenssätze. Die Grundannahme färbt deinen Weg und damit kannst du die Farbe wieder verändern, wenn du deine Grundannahmen auf das Leben veränderst. Veränderst du nur die Glaubenssätze, setzt du etwas über deine Grundannahme, was dich wieder nur deckelt und nicht zur Klarheit führen kann. Glaubenssätze sind Informationen bezogen auf deine Grundannahme. Sie sind nicht die Blockade, die dich daran hindern dein Ziel zu erreichen. Sie sind das Signal, dass du nochmal an die Basis dran musst.

Fragen aus der Community zum Thema

Frage: Wie erkenne ich, was mein rosa Kaninchen ist, das ich gar nicht benötige? (Rosa Kaninchen = Grundannahmen aus einer Prägung)

Antwort: Nichts ist so sicher wie der Zweifel. Und in der Wissenschaft wurden man sagen, nichts ist so wichtig wie der Zweifel, denn nur dann kann es überdacht werden. Die Frage ist naturgemäß nicht mal eben zu beantworten und dennoch gibt es eine grundsätzliche Frage, die du dir immer stellen kannst. Wieso gehst du davon aus, dass dein System an etwas hängt, was es nicht braucht?

Genau das ist der Moment, der zeigt, wie stark wir immer noch vom „bösen Menschenbild“ ausgehen. Es zeigt, dass du glaubst, dein System würde etwas tun, was es nicht braucht und somit indirekt und direkt gegen dich arbeitet. So ist es nicht. Deine Gedanken sind nie gegen dich, sondern immer für dich. Dein System hat also einen triftigen Grund, warum es das rosa Kaninchen behalten will bzw. danach sucht. Das Festhalten dieser alten Grundannahmen schenkt deinem System mehr Sicherheit und Vertrautheit, als es Veränderung kann. Selbst wenn die Veränderung dir langfristig helfen könnte, braucht dein System sein rosa Kaninchen, um die Situationen begreifen zu können. Fragst du also, wie du dein rosa Kaninchen, welches du nicht brauchst, finden kannst, unterstellst du deinem System nichts Gutes. So funktioniert Mensch sein nicht. Die Frage ist also: Aus welchen geprägten Grundannahmen haben sich meine Gedanken entwickelt und möchte ich das so beibehalten?

 

Frage: Vertraue ich darauf, dass mir im richtigen Moment schon das Richtige über den Weg laufen wird, damit ich meine Erkenntnis habe? Vertraue ich dem Status quo bzw. akzeptiere ihn damit und damit meine momentane Grenze? Wo kommt dann der aktive Part? Ist das nicht zu passiv?


Antwort: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Nein, das war ein Scherz. Aber klar: Meine erste Antwort muss sein, dass du vertrauen sollst, das ist aber nur die halbe Wahrheit. Wie du schon richtig erkannt hast, wird das Leben dann ein sehr passives sein. Den eigenen Status quo zu akzeptieren ist der Anfang nicht der Weg selbst. Und auch hier müssen wir erst mal das Menschenbild gerade ziehen, welches sich in der Frage zeigt, ob du deine momentanen Grenzen akzeptieren sollst. Die Frage beinhaltet eine bestimmte Art, über Entwicklung und Grenzen zu denken. Es geht nicht darum, Grenzen zu akzeptieren, sondern zu verstehen, wo du in deiner Entwicklung stehst. Machen wir es an einem einfachen Beispiel klar: Du hast ein Baby. Dieses Baby kann nicht laufen. In deiner Welt wäre das Baby damit an seine Grenze gekommen. In meiner Welt ist klar, dass das Baby noch ein paar andere Entwicklungsschritte einsammelt, bevor es dann die Aufgabe des Gehens anpacken kann. Die Frage, die sich stellt, ist also nicht die Frage der Grenze, sondern die Frage: Wo willst du denn hin und welche Mini-Entwicklungen braucht es dafür. (Übrigens ein Grund, warum man bei mir im Kompetenzzentrum genau das lernt: Definition von Mini-Schritten). Diese Wahrnehmung und Arbeit funktioniert jedoch nur dann, wenn dir klar ist, dass es sich nie um Grenzen handelt, sondern immer um einen sich entwickelnden Status quo, der nicht passiv abwartet, sondern den du aktiv lenkst.

Und damit kann ich dir auch den zweiten Teil deiner Frage beantworten: Ist das nicht zu passiv: Ja, tatsächlich. Denn es geht immer um das dem Denken nachgelagertem Tun und Machen. Da kann es sein, dass du Dinge tun musst, die erst mal nichts mit deinem Ziel zu tun haben, weil es diese kognitiven Verbindungen in deinem Gehirn braucht. Wenn das Baby auf dem Rücken liegt und dann beginnt sich zu drehen, dann ist das eine gute Idee als Vorbereitung des Bewegungsapparates, um auch irgendwann laufen zu lernen. Ohne die Zwischenschritte geht es nicht. Und diese Zwischenschritte werden oft für Erwachsene nicht mehr bedacht, weil „man ja alles können muss“. Nein, muss man nicht. Man muss für ein neues Ziel erst mal neue Kompetenzen lernen, denn mit den alten hat man das Ziel ja nicht erreicht und genau dort hingehört der aktive Part. Das kann dann auch mal so etwas sein, wie „eine Sache zu Ende zu machen“ – im Kleinen. Damit das System überhaupt merkt, dass so etwas möglich ist und das speichert es ab. Und dann geht es weiter. Die Grenze zu definieren kommt erst sehr sehr viel später.

Frage: Muss ich dann nicht losgelöst von allen Grundannahmen sein?

Antwort: Nö! Deine Grundannahmen müssen ja nicht immer schlecht sein. Also Prägung ist ja nicht per se was Negatives. Du sollst dir dessen nur bewusst werden, um selbstbestimmt entscheiden zu können, was du erleben möchtest. Deine Entwicklung entsteht ja durch dein Menschsein und selbst das wäre ja im Zweifel eine Grundannahme, wenn wir es bis zu Ende spinnen.

Also merkst du bei dieser Frage schon: Orientierungslosigkeit und der große Bedarf nach Orientierung. Was übrigens auch sehr schön zeigt, warum Polarität und Dualitäten immer so vertauscht werden. Aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr. Das Menschsein ist ja nix negatives. Es ist ja einfach nur. Und auch nicht jede Prägung ist negativ. Wenn du dir bewusst machst, dass der Mensch ein Teil der Natur ist, dann findest du schnell heraus, wo er sich gegen sich selbst und damit gegen die Natur stellt – das sind die Momente eines rosa Kaninchens, die du dir anschauen kannst. Alles andere darf doch bleiben und zeichnet doch dieses Wunder von Leben aus.

So!

Diese Fragen waren mir noch wichtig zu beantworten. Wenn dies neue Fragen aufwirft, lass es mich wissen und teile den Beitrag gerne. Wir haben in diesen Zeiten genau eine Chance und die bedeutet: Aufklärung!

Namaste

Ich dachte nicht, dass die Frage in meinem Buch, ob wir den Zusammenbruch wirklich zulassen, nun so schnell Realität wird. Dennoch mag ich dich einladen, weiterzulesen und weiter zu verstehen.