Unser Menschenbild des Krieges 

Unser Menschenbild braucht Kriege, sonst können wir nicht wachsen. So bitter das klingt, so falsch es ist, so etabliert ist es in den Köpfen derer, die in den letzten Jahren versucht haben, die Selbstverwirklichungen von toxischen Verstrickungen als Entwicklung einer freien Gesellschaft zu verkaufen. Am Ende bleiben nur der Krieg und die vermeintliche Angstzone, die dann zum Lernen- und zum Wachsen anhält und so dann am Ende doch alles wieder gut wird.

So ist dieses Jahrhundert nicht. Dieses Jahrhundert macht nicht wieder alles gut. Dieses Jahrhundert ist radikal, weil auch wir radikal mit unserer Zeit sind.

Aber beginnen wir in diesen schwierigen Zeiten mal an einem Punkt, der von dir kein politisches Vorwissen benötigt. Ein Punkt, der Teil deines Alltags ist und der deine Hände so wie meine Hände tief in Blut tränkt und dennoch keine Schuld auf sich laden lässt.

 

Du bist Teil einer Gesellschaft

Ob du willst oder nicht, bist du Teil dieser Gesellschaft. Auch wenn Politik nicht so dein Ding in den letzten Jahren war, so ist dies nur möglich, weil du nicht in akuter Gefahr gewesen bist. Das ändert sich gerade. Und so wird Politik doch ein Teil deines Lebens. Ob du willst oder nicht. Es bricht in deinen Alltag ein und lässt dich überfordert und vielleicht auch angstvoll zurück. Egal, wie neutral du sein willst, selbst die Schweiz merkt, das ist gerade nicht mehr ganz so möglich. Die Frage ist doch nur, warum ist uns das passiert? Ich versuche mal eine Herleitung. Nach den Schrecken des zweiten Weltkrieges rief die süße Versuchung des Geldes des Kapitalismus. Die Hilfe des großen Bruders Amerika kam wie ein Segen und über die unvorstellbaren Verbrechen des 3. Reichs wurde Zucker, Geld und Fett gelegt. Der Marshallplan half uns aus dem puren Überleben heraus, hinein in den Aufbau des Wirtschaftswunders und alles hätte gut sein können. Die Wiedervereinigung sowie die Wiederherstellung der endgültigen Souveränität, der Zusammenbruch der Sowjetunion sowie eine wirtschaftlich starke Ausgangslage versprach eine wunderbare Zukunft. Nach der Individualisierung der eigenen Probleme und der Idee einer entwickelten modernen Gesellschaft begannen wir nicht nur das Plastik in den Meeren zu verteilen, sondern steckten es in unsere Körper, um mit prallen Brüsten und gemachten Muskeln zu zeigen, wie weit wir sind.

Nur leider gehörte von all dem nie uns etwas. Und damit meine ich uns als deutsche Gesellschaft. Denn die Schuld des Verbrechens in unserem Namen machte aus uns starken Kartoffeln, weiche in fettgetränkte Pommes, die ihre eigene Körperspannung erst dann wieder spürten, wenn sie Geld genug hatten, um sich damit im außen zu brüsten.

Wir haben einen anderen Job

Ausgehend von dem Bild, welches ich dir hier zu Beginn des Beitrags eingefügt habe, muss nun der Zusammenbruch kommen, damit wir daraus lernen und weiterkommen. Nur leider sagt die Geschichte klar, dass wir Menschen daraus nicht lernen. Egal wie schlimm das ist, was wir erleben. Und so kommst du nicht drum herum zu verstehen, dass wir Menschsein nicht verstehen. Denn niemals lernen wir aus Angst. Wir lernen aus dem, was aus uns selbst an Gestaltungswillen entsteht und was uns wichtig ist. Und so haben wir als Gesellschaft unseren Job verpasst und stehen nun vor den Trümmern, sodass selbst die Pazifisten unter uns (und dazu zähle ich mich durchaus) nicht mehr aus der Logikkette einer Aufrüstung und Beteiligung herauskommen, weil die Nummer gerade echt unangenehm wird.

Wie hätte es anders laufen können? Ganz einfach. Es wäre das Wichtigste gewesen, dass wir eine eigene Identifikation als Deutschland und als Europa entwickelt hätten. Wie sagte Trump so schön, wir sollten langsam mal in der Lage sein, uns selbst zu verteidigen. Zugegeben würde ich mir auch wünschen, es hätte jemand anders gesagt, aber so ist es nun mal. Angela Merkel sagte noch vor ein paar Jahren, dass wir dringend eine eigene Außenpolitik und China-Politik gebraucht hätten und so ist es auch. Was haben wir gemacht? Wir haben uns den süßen und fettigen Versuchungen dieser Welt hingegeben als Ersatz für unverarbeitete Gefühle und sind jetzt aus der Illusion herausgerissen, dass Frieden eine Selbstverständlichkeit ist. Jeder von uns schließt seine Haustür zu und setzt Grenzen. Wir schalten Alarmanlagen an, weil wir wissen, dass wir bestimmte Besitzgüter schützen möchten. Wir schützen unsere Kinder und unser Leben. Und so wäre es auch unsere Aufgabe gewesen, unsere Werte zu beschützen sowie unsere eigene Identifikation zu erarbeiten. In den letzten 30 Jahren ist es aber nicht möglich gewesen, durch die ganzen unverarbeiteten Gefühle dieser Nachkriegsgesellschaft durchzukommen, weil der Kapitalismus die innere Druckentlastung in all seinen Facetten sofort möglich macht und jede toxische Verstrickung durch den Markt die Bedürfnisse der Menschen befriedigt und sich das System so selbst stabilisiert. Es wäre als Deutschland unsere Aufgabe gewesen, diese Identifikation zu erarbeiten, auch wenn so etwas anstrengend ist. Ich gebe dir ein Beispiel: Freiheit ist nur dann möglich, wenn das Überleben geschützt ist. Wenn das Überleben gesichert ist. So haben wir uns als Menschen entwickelt. Wir haben gearbeitet, um uns wieder etwas aufzubauen. War dieses sicher, haben wir wieder gearbeitet, um das Nächste aufzubauen. Das geht solange gut, wie der Bedarf des Aufbaus nicht die Ressourcen von morgen aufbraucht und die toxischen Bedürfnisse befriedigt, sondern einem höheren Ziel dient: Einer gesunden Welt, Frieden, Freiheit und all das, was Menschsein sich wünschst.

Deutschland hätte eine Vorreiterrolle einnehmen können, wenn nicht das süße Fett die Synapsen verklebt hätte und wir zur Jahrhundertwende selbstverherrlichend gedacht haben, dass wir jetzt DIE moderne Gesellschaft sind. Sind wir nicht. Wir regulieren den Zugang zu essen und trinken über Geld und nicht über die Selbstverständlichkeit, dass Leben wertvoll ist.

Es war nicht unsere Aufgabe, den Osten Deutschlands einfach zu verschlingen, als Wessis und Kinder mit dem Narrativ großwerden zu lassen, dass diese nun endlich wissen, wie Bananen schmecken und ostdeutsche Frauen offener sind und und, und.

Es wäre unsere Aufgabe gewesen, die Dinge miteinander zu Verbinden und von beiden Systemen das Beste zu integrieren. Es wäre unsere Aufgabe gewesen zu zeigen, dass System nicht gegeneinander ausgespielt werden müssen, sondern in Co-Existenz voneinander lernen können. Es ist nicht nur geopolitisch unsere Aufgabe gewesen, den Osten mit dem Westen zu vereinen. Es wäre auch als Land der Dichter und Denker endlich mal wieder eine Orientierung gewesen und ein Erbe, welches wir hätten schenken können.

 

Tun wir aber nicht. Nein, wir halten uns an den amerikanischen Einfluss und lassen uns heute dort von unseren Aufrüstungsbemühungen beklatschen. Schräg! Denn weder der Osten noch der Westen hat die gleichen Interessen wie Deutschland und damit auch Europa.

 

Es ist unser Menschenbild

Unser fehlender Mut, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, um Dinge wieder gerade zu rücken, hat uns in diese Situation gebracht. Denn das Menschenbild des Wachstums durch Angst braucht immer die Angst des Wachstums. Aber so ist es nicht. Es ist eine Illusion, die aufrechterhalten wird, durch das Schuldthema und die dadurch entstehende Angst klar Stellung zu beziehen. Was wäre gewesen, wenn wir die letzten 30 Jahre anders mit unserer inneren Stabilität umgegangen wären. Wenn wir uns zunächst in unsere eigene innere Stabilität gekümmert hätten. Wenn wir Abhängigkeiten gelöst hätten und realistisch auf außenpolitische Gefahren hingewiesen hätten. Wenn wir eine Stärke aufgebaut hätten, die es ermöglicht, auch Werte zu verteidigen, ohne dass wir nun Angst haben müssen, dass jemand den roten Knopf drückt. Wenn wir uns als das gezeigt hätten, was wir eigentlich auch so gerne wären: Frei, offen und aufgeklärt. Es wäre der Ausgleich gewesen dessen, was so schief gelaufen ist.

Zu verstehen, dass wir nicht durch Angst lernen, sondern dass wir das eigene Leben gestalten können, haben wir als deutsche Gesellschaft nicht gelernt. Wir reagieren auf das, was kommt und erkennen unsere eigenen starken Werte nicht an. Wir stehen nicht ein für die Welt, die wir uns wünschen, sondern betteln um Anerkennung. Das war wir nicht getan haben: Klar Stellung zu beziehen, muss jetzt die Ukraine für uns tun. Das ist einfach nicht richtig. Man kann die Welt nicht verändern, indem man in der Angstspirale eine Gesellschaft sich selbst überlässt und immer darauf schaut, was am populärsten ist, – ohne gleichzeitig sich um Wissen, Kompetenzen und Aufklärung zu bemühen. Da wichtigste Gut sind das Wissen und die Aufklärung. Das wichtigste Gut für Narrative ist der finanzielle Druck und die persönliche Angst, etwas vom Kuchen abgeben zu müssen.

Da aber Vorwürfe nicht helfen, hilft vielleicht mein Wunsch, dass du jetzt verstehst, dass Angst keinen Wachstumsschub bringt, sondern Angst immer wieder neue Verhinderungsstrategien erlernen lässt. Der Wunsch nach finanzieller Bereicherung hat namhafte Politiker*innen in die Arme des russischen Rubels getrieben, weil es doch eine schnelle Entlastung versprach, anstatt die Zeit für den Ausbau der eigenen Unabhängigkeit zu nutzen. Nur wenn du und somit wir das innere und äußere Überleben gesichert haben, ist eine Gestaltung möglich. Danach muss dann die Absicherung des Neugestalteten wieder gesichert sein, gegen die die andere Werte vertreten. Diplomatie braucht immer die Wehrhaftigkeit als Gegengewicht. Es braucht immer den Ausgleich zwischen Überlebenszone und Komfortzone als Gestaltungszone. Nur dann ist Entwicklung möglich. Aus dieser Stabilität heraus entwickelt sich dann immer weiter die Kraft der Unabhängigkeit und des freiwilligen Zusammenschlusses von Kräften. Nicht die gezwungene Kraft, weil es nicht mehr anders geht, als sich zu verteidigen.

Denn am Ende werden wir feststellen, dass die Komfortzone keine faule Hängemattenzone ist, wie das Power-Mindest-Motivations-Kapitalismus-Erfolgsmensch Modell dir erklären will, sondern die Abwesenheit von Knappheit und Gefahren und damit die einzige Möglichkeit, Lebensversionen zu gestalten, um sie danach wieder zu stabilisieren, um eine Gesellschaft und damit Leben wachsen zu lassen. Da wir uns als Gesellschaft nicht von diesem Denkmodell lösen konnten, sondern dies als eigene gute Idee für uns und somit auch für deinen Alltag genutzt haben, sind wir nun in der Situation, dass wir unsere wirkliche Komfortzone als Ziel und Gestaltungszone aufgeben müssen und um das Überleben unserer Umwelt, unserer Werte und all das, was uns eigentlich so wichtig ist, wieder kämpfen müssen und es absichern müssen. Dieser Preis kostet uns einiges an Entwicklung. Wir müssen ihn zahlen, aber wir hätten es anders haben können.

Und so platzt die Selbstverständlichkeit, dass es Frieden in Europa gibt, auf und wird zu einer Illusion. Die Sicherheit und der Frieden verkommen zu einer Illusion, weil wir nicht mutig genug waren, diese Selbstverständlichkeit unserer Werteordnung aus uns heraus zu schützen und sie weiter so auszugestalten, dass ihr Überleben nicht in Frage gestaltet werden kann. Und so möchte ich dich bitten, dass du das Bild der Angstzone als Voraussetzung für das Lernen können aufgibst. Die Geschichte hat es oft genug gezeigt, dass wir dadurch nicht lernen. Wir lernen auch nicht aus Vorwürfen. Wir lernen aus uns selbst heraus, weil wir was verstanden haben. Verstanden, wie bestimmte Dinge zusammenhängen, was unsere Aufgabe ist, was wir schützen möchte, wofür wir einstehen möchten. So möchte ich zurück zur Genderdiskussion und mich darüber aufregen können, dass Fremdenhass immer noch ein Thema in unserer Gesellschaft ist. Ich möchte zurück dazu, dass ich sagen kann, wir brauchen mehr Menschenbildung in Schulen, damit Eltern nicht überrascht sind, wenn der 4-Jährige beißt, wenn er sauer ist. Wir brauchen Aufklärung und den klaren Grenzen gegenüber toxischer Verstrickung. Die Transparenz, was du mit welchem Einkauf mitfinanzierst und die Kompetenz, wie es für so eine verstrickte Welt braucht. Ich möchte zurück in die Diskussionen, dass Zucker und fettgetrieben Werbung verboten wird, weil sie uns einfach nicht guttut. Ich will wieder darüber diskutieren, dass wir mehr diskutieren müssen und ich will, dass wir aufhören zu glauben, dass die Welt mit Angst in den Wachstum geht und dass jeder einzelne Mensch aufhört zu glauben, dass nur die Angst dazu führt, dass das Gute passiert! So ist es nicht. Niemand braucht Angst, um zu verstehen, dass er überleben will und wachsen will. Wir brauchen Wissen, Klarheit, Werte und Wissen, wie man das, was einem wichtig ist, auch langfristig schützt.

Ich dachte nicht, dass die Frage in meinem Buch, ob wir den Zusammenbruch wirklich zulassen, nun so schnell Realität wird. Dennoch mag ich dich einladen, weiterzulesen und weiter zu verstehen.